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M A L E R E I
Z E I C H N U N G
F O T O G R A F I E
V I T A
A U S S T E L L U N G
K O N T A K T
   
 

R E D E

"Lithographien"

Marianne Catroux, Ute Gallmeister, Karsta Lipp,
Rainer Müller, Achim Niemann, Ulrike Seidenschnur

Ende des 18. Jahrhunderts entwickelte Senefelder ein chemisches Verfahren, mit dem von Steinen in größerer Auflage Vervielfältigungen von Zeichnungen, Handschriften und Bildern vorgenommen werden konnten. Dieses Verfahren, Lithographie genannt, war zu dieser Zeit ein nahezu revolutionäres Ereignis, da bislang die Vervielfältigung von Bildern, auch Noten dem aufwendigem Handwerk des Kupfer-, Stahl- oder Holzstechens überlassen war. Mit der Lithographie konnten in einem relativ unkompliziertem Umdruckverfahren Bilder reproduziert und in hoher Auflage gedruckt werden. Somit war die Erfindung dieser Technik auch ein Geburtshelfer der Werbegrafik und des heutigen Offsetdrucks. Besonders geeignet war der Solnhofener Plattenkalk aus dem Fränkischen Jura, 150 Millionen Jahre alt, der sich unter tropischem Klima als feinster Kalkschlick in Sedimentationswannen einer Urlagune ungestört ablagern konnte. Der, in fünf Exemplaren gefundene Archeobteryx lithographica als Urvogel bekannt, ist das bedeutendste Fossiel dieser Ablagerung.
Ein glatt geschliffener Stein wird mit einer fetthaltigen Tusche oder Kreide bezeichnet. Nach dem Trocknen wird er mit Gummiarabikum und Salpetersäure präpariert, so daß die bezeichneten, also fetthaltigen Stellen die ebenso fetthaltige Druckerfarbe annehmen und die nicht bezeichneten sie wiederum abstoßen. Auf diese Weise können in einem einzigem Druckvorgang verschiedene Grau- oder Halbtöne gedruckt werden, wodurch das Endprodukt auf dem Papier der Originalzeichnung auf dem Stein sehr nahe kommt. Das sich nicht nur die Wirtschaft, sondern auch sehr bald Künstler für diese Technik interessierten, war naheliegend.

Das deutsch-französische Lithographie Pleinair im vorpommerschen Schloss Pulow im Sommer 2002 und im ehemaligen romanischem Kloster Marcilhac in Südfrankreich im Frühjahr 2003 waren Reisen zu neuen Begegnungen mit Künstlern, von denen 6 mit verschiedendsten, bildkünsterischen Haltungen, Herangehensweisen und Handschriften in dieser Ausstellung gezeigt werden.

Marianne Catroux aus Frankreich experimentiert minutiös mit Kopien, collagiert diese; oft entstehen surreale Schreine, die die fremdartig anmutenden Artefakte aufnehmen.
Ute Gallmeister sammelt aus der Natur Formen und Strukturen und findet Entsprechungen, Symbole, Zeichenhaftes für die Fläche; schwärmend für die Raumtiefe, Lebendigkeit und der eigenen Geschichte des Materials Stein.
Ulrike Seidenschnurs floristisch anmutende Blätter, auf denen selbst die Figuren umschlungen werden, zeugen von einer geheimnisvollen Kraft. Mit Freude und scheinbarer Leichtigkeit erweckt sie ihre Steine zum Leben, wird Stein zum Garten.

 

Karsta Lipp greift unmittelbar Gesehenes, Erlebtes auf, übersetzt es direkt kompositorisch, bildhaft. Vergangene und jetzige Spuren des Menschen konzentrieren ihr Schaffen.
Rainer Müller scheint mehr mit dem Stein zu meditieren, ihn auf seine Stille poetisch zu befragen, ihn Schicht um Schicht zum Sprechen zu bringen; seine Blätter wirken musisch, auch kalligrafisch.
Für mich geronnen diese Reisen zu Überfahrten, zum und mit dem Stein. Während des Schleifprozesses in den feuchtkühlen, archaischen Gehäusen des Pulower Schlosskellers und des Marcilhacer Tonnengewölbes arbeitete ich mich, so man will, in die Jahrmillionen zurück, schneller als es die Sedimentation je vermochte; das Ambiente tat  Übriges.
Manchmal geriet ich in eine Meditation, die ein Gefühl aufkommen ließ, eine Entscheidung gegen die äußere Welt gerichtete Verweigerung eingegangen zu sein, eine Entscheidung für den Gang in die Einöde, für die Einsamkeit in der, tief im Wort versteckt, nicht zuletzt auch die Einheit, das Eins-Sein, ruht. Abgeschiedene Orte "andere Orte", deren erhabene, homogene, grundlegende Erscheinung künstlerischen Resonanzraum bot.

Rainer Müller beschreibt seine Begegnung mit dem Stein in einem Zitat:
"Etwas herausbrüten an Worten über das schweigsame Zeichen. Im Keller, im Norden. Ist es bewußtes Schaffen oder tätiges Zuhören? Der kalte, glatte Stein, gefeuchtet, darauf das Schwarz der duftenden Tusche, dünner Pinsel, Schwamm verwischt, vernichtet oder mildert Hartes. Das allmähliche Ertasten glaubhafter Form. Wasser lässt verfließen. Trocknen. Schleifen, Wasser und Bimsstein, Sand und wieder Tusche, schwarz, pastos. Ritzendes Messer, Sand, welcher körnend aufhellt und wieder Pinsel, spitz, geschwätzig - soll er. Darüber gewebte Schrift, dämpfender Stoff, Strukturen geben Halt, Linien, Flecken. Nach Tagen Wasser, Tusche etc. Soll er bleiben. Talkum, Ätze. Nach Wochen das Drucken seitenverkehrt, ein mir fremdes Bild. Nach Monaten finde ich mein Klingen in den dürftigen, aufs Papier gepressten Schatten - oder auch nicht."

Wir möchten uns ganz besonders bei Rainer Müller bedanken, der die Blätter aller Pleinairteilnehmer in vielen Nächten aus dem Stein herausgeholt hat.

Achim Niemann, Kulturhaus Peter-Edel Berlin 2003

A U S S T E L L U N G - V I T A
R E D E N & T E X T E

 

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Katalog Karsta Lipp 2009

Layout: büro mahlke grafik
Druck: Druckerei Conrad

Preis 12 Euro (48 Seiten, 28x23cm)
Bestellung per email

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